75 Jahre Bahnhofsmission Aulendorf

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Friedensfest am 25. September ab 15.00 Uhr am Bahnhof Aulendorf

 Bahnhofsmission? Das klingt nach Großstadt und Hauptbahnhof, nach heißem Tee an sozialen Brennpunkten. Doch seit 75 Jahren gibt es im beschaulichen Aulendorf eine Bahnhofsmission. Dieses Jubiläum soll nun begangen werden.

Aulendorf ist der drittkleinste Ort in Deutschland, an dem es eine Bahnhofsmission gibt. Doch Aulendorf hat auch den wichtigsten Knotenbahnhof zwischen Ulm und dem Bodensee mit heute über 7000 Fahrgästen täglich. Daher wurde 1945 eine Bahnhofsmission gegründet.

Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 waren Millionen von Menschen unterwegs: Soldaten und Kriegsgefangene, befreite Lageinsassen und vor dem Bombenhagel aus der Städte Geflüchtete, später Vertriebene und Kriegsheimkehrer. Die (überfüllten) Züge fuhren zwar, sofern es genug Loks, Wagen und Kohle gab, dennoch strandeten abends oft die Menschen an den Umsteigebahnhöfen – so auch in Aulendorf. Die Herbergen und Quartiere waren brechend voll, manche schliefen auf dem Rasen oder den Gehwegen. Besonders für Frauen und Kinder war die Situation prekär und gefährlich. Daher baute der „Mädchenschutzverein“ in Stuttgart (heute: IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit) auf Initiative des Aulendorfer Pfarrers ein Übernachtungsheim für Frauen und Kinder auf. Die Bahnhofsmission Aulendorf war geboren. Im Oktober wurde die Kinderkrankenschwester Adelheid Kellermann als Leiterin eingestellt. Ihr oblag die Sorge um einen geeigneten Raum und dessen Ausstattung mit Möbeln, Brennmaterial, Kochgeschirr und Lebensmitteln sowie die Suche nach Ehrenamtlichen. Dies war angesichts der Not und des Mangels eine schier unlösbare Aufgabe. Dennoch konnte sie nach vielem Hin-und-Her am 2. Januar 1946 das Übernachtungsheim der Bahnhofsmission Aulendorf eröffnen. Auch evangelische Mitarbeiterinnen ergänzten bald das Team.

Zur Sorge um die Frauen und Kinder kam die Unterstützung aller Reisenden am Bahnhof. Erst nach der Währungsreform 1948 normalisierte sich die Situation. Anfang der 1950-er Jahre wurde das Übernachtungsheim aufgegeben, die Bahnhofsmission aber blieb bestehen und erhielt 1956 von der Deutschen Bundesbahn den Raum, wo sie bis heute zu finden ist.

Seither lag und liegt ihr Fokus auf der Hilfe für Reisende, etwa beim Ein- und Austeigen, beim Fahrkartenkauf, bei der Reiseplanung, bei kleineren Dienstleistungen: z. B. für allein reisende Kinder, Familien, alte, kranke und behinderte Menschen, für Menschen aus anderen Staaten, etwa Arbeitsmigrant*innen, Spätaussiedler*innen, Asylsuchende und Tourist*innen, für Besucher*innen der zahlreichen Kurkliniken und Rehaeinrichtungen in Oberschwaben. Derzeit sind es zunehmend Tagesgäste und Radfahrer*innen, die über die Unterstützung der Bahnhofsmission froh sind. Immer kamen und kommen auch Menschen, die weniger die praktische Hilfe suchten als ein offenes Ohr, Ansprache, Beratung, einen Ort für ihre Trauer und Sorge, einen Platz zum Sein. So ist die Bahnhofsmission Aulendorf ein Ort gelebter Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit.

Bahnhofsmission ist für alle Menschen da, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, Orientierung. Sie versteht sich als Zeichen für ein friedliches und tolerantes Miteinander ein einer Stadt. In diesem Sinne feiert die Bahnhofsmission – wenn auch wegen der Corona-Pandemie ein Jahr später - ihr Jubiläum am 25. September ab 15.00 Uhr. Zusammen mit anderen Gruppierungen der Stadt Aulendorf soll bei einem Friedensfest auf dem Bahnhofsvorplatz den traurigen und schwierigen Zeiten anno 1945 ebenso gedacht werden, als auch dem heutigen Zusammenleben in Eintracht und Vielfalt. Nach einem besinnlichen Impuls, den u. a. Bürgermeister Matthias Burth und der evangelische Posaunenchor bereichern, ist Gelegenheit zu Kontakt und Gespräch an dem schicksalsträchtigen Ort.